„Demokratie feiern und wagen. Was können wir tun?“

Wandertag einmal anders: Schülerinnen und Schüler unserer Klassen 9b und 9Gc im engagierten Gespräch mit der Publizistin und Journalistin Dr. Ursula Weidenfeld.

Im vorweihnachtlichen Stress berichten wir leider mit einer kleinen Verspätung über ein Highlight für die politische Bildung unserer Schülerinnen und Schüler. Es war für unsere Klassen 9b und 9Gc ein besonderer Wandertag, als sie am 3. Dezember Frau Dr. Weidenfeld zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion trafen. Die Journalistin hat zuletzt über die Geschichte der beiden deutschen Staaten geschrieben: „Das doppelte Deutschland: Eine Parallelgeschichte 1946-1990“.

Wir waren Gäste der katholischen Pfarrgemeinde „Märtyrer von Berlin“ in Charlottenburg. Gemeindevorstand Michael Henschke begrüßte uns und erzählte die Geschichte der beiden Pater Bernhard Lichtenberg und Pater Willimsky, die der Gemeinde entstammten und von den Nazis für ihren Einsatz für Demokratie und Freiheit hingerichtet wurden. Henschke schilderte, wie die beiden zu Vorbildern für die Berliner katholischen Gemeinden wurden. Unser Thema war: „Demokratie feiern und wagen. Was können wir tun?“.

Ursula Weidenfeld begeisterte uns mit ihrer anschaulichen Vortragsweise, die den hohen Wert einer demokratischen Gesellschaftsordnung verdeutlichte. In einer spielerischen Abstimmung (1. Frage: Sollte man am Wandertag lieber zum Weihnachtsmarkt, oder lieber zu einer Veranstaltung zu einer Diskussion über Demokratie gehen?  2. Frage: Sollte an das auch so entscheiden, wenn der Weihnachtsmarktbesuch € 25,00 kostet?) erkannten die Schüler, dass sich ihr Abstimmungsverhalten ändert, wenn sie niemanden ausgrenzen wollen. Dr. Weidenfeld betonte, dass das Mehrheitsprinzip in der Demokratie nicht alles ist. Der Respekt für die Rechte von Minderheiten ist essentiell für die demokratische Gesellschaftsform.

Es folgte eine lebhafte Diskussion mit den Schülern. Frau Weidenfeld wies darauf hin, dass im Jahr 2005 noch fast jeder 2. Mensch in einer Demokratie lebte, heute seien es nur noch ein Drittel der Weltbevölkerung. Im Moment zeichne sich ein Trend zu autokratischen Herrschaftsformen ab. Den demokratischen Gesellschaften werde vorgeworfen, zu langsam, zu verzagt und zu wenig erfolgreich zu sein.

Ursula Weidenfeld verteidigte die Langsamkeit, die gerade für Deutschland eine der Lehren aus dem Epochenbruch des 20. Jahrhunderts sei. Personen seien im deutschen politischen System nicht so entscheidend wie Strukturen, es gebe keine Entscheidungsinstanz, die nicht kontrolliert werde. Wir wählen in erster Linie Parteien, keine Personen. Viele Kompromisse sind erforderlich.

Frau Dr. Weidenfeld beantwortet alle an sie gestellten Fragen sehr direkt:

AFD verbieten? – Nur die Teile, die verfassungsfeindlich sind.

Schon einmal den Versuch einer Bestechung erlebt? -  Nein, aber früher waren die Grenzen fließend. Zum Beispiel wurden noch in der 80er Jahren Journalisten Autos zu günstigeren Konditionen, dem „Journalistenrabatt“, angeboten. Heute sei das undenkbar.

Umgang mit Lampenfieber? - Lampenfieber ist gut. Ich kann oft nicht so gut schlafen vor einer Sendung. Lampenfieber ist gut, denn man ist dann wach, man weiß, dass man da ist. Ich merke, dass es sich legt, wenn das Wasserglas in meiner Hand sich nicht mehr zittert.

Es gab praktische Empfehlungen zur Auswahl der Zeitungslektüre. – Ich lese die Bild und die BZ, den Tagesspiegel, die Süddeutsche Zeitung und die FAZ. Man braucht eine Mischung unterschiedlicher Formate. Und es muss auch nicht die gedruckte Zeitung sein, wenn man sich ordentlich informieren will.

Unsere Schüler stellten auch Fragen zum Konzept der Definition einer Person des „öffentlichen Interesses“. Es sei nicht immer leicht zu beurteilen, ob und wann ein Mensch zum Gegenstand des öffentlichen Interesses wird, und wie es sich mit seinem Umfeld verhält. Deshalb gibt es auch so viele Klagen gegen die Berichterstattung. Frau Weidenfeld sieht sich selbst allenfalls als „halbe bis 3/8 öffentliche Person“.

Ob es jemals persönliche Angriffe auf ihre Person gegeben habe? – Ja, leider sei immer wieder ihr Auto zerkratzt worden.

Die Diskussion berührte weitere Aspekte, wie zum Beispiel Fragen des Umgangs  mit Veröffentlichungen, bis zum  Verhalten von Journalisten Mitgliedern der gegenwärtigen und vergangenen Bundesregierung gegenüber.

Demokratie? – Ich bin ihr und ihr seid ich. Demokratie bedeutet: Ich zähle.

Wir bedanken und für die interessante Begegnung und den inspirierenden Vortrag. Hoffentlich dürfen wir Frau Dr. Weidenfeld bald wieder einmal direkt in unserer Schule begrüßen!

Dr. Francine Jobatey, Klassenlehrerin 9b